Jahrgang 1961, Journalistin und Dozentin in der Erwachsenenbildung
Ich wachse in einer Familie auf, die seit Generationen in einer protestantischen, streng fundamentalistischen 500-Seelen-Gemeinde lebt. Die Kindheit wird durch soziale Spannungen der Eltern überschattet. Der großstädtische, bildungsbürgerliche Vater fühlt sich in der Dorf- und Familiengemeinschaft unwohl. Die Mutter muss dich permanent zwischen dem „zugereisten“ Ehemann und der Familientradition einer Bauernfamilie entscheiden. Ich selbst bin das „Hühnchen im Korb“, Cousin und Schwester kommen erst fast ein Jahrzehnt später zur Welt. Die Frauen sind die Starken in der Familie, die Männer erlebe ich als selten verfügbar und ausnahmslos alle Nachbarsjungen sind viel älter als ich. Im homogenen Dorfgefüge gibt es praktisch keine Außenseiter - keine Katholiken, keine Juden und schon gar keine Ausländer. Die Kirchengemeinde bildet den sozialen Angelpunkt des Ortes.
Heute weiß ich, sie hieß Frau Mayer in der Grundschule und Christiane in der Hauptschule. Ich habe mich immer mal wieder gefragt, wann es anfing, dass ich Frauen mehr mag als Männer. Ich denke heute noch oft an Christiane und ich stehe immer noch auf sie. Aber sie ist sowas von hetero.
Aber mit vierzehn oder fünfzehn hatten meine Freundinnen alle einen Freund und ich eben auch.
Zweimal ein Markus. Händchen halten, küssen. Im Schwimmbad abhängen. Mit dem Fahrrad mal nach Rümmelsheim. Später hieß er Torsten bzw. Andreas. Und dann war klar: die wollten mehr, aber ich nicht. Ich konnten es mir mit einem Mann einfach nicht vorstellen. Befreundet ja, aber nicht mehr.
Geboren bin ich Anfang der Siebziger Jahre als Jüngste von 4 Geschwistern. Auf religiöse Erziehung wurde von meinen Eltern viel Wert gelegt und in meiner Kindheit und Jugend erlebte ich viel bereichernde Zeit in einer intakten Familie und einem aktiven Pfarrleben.
So ab dem Alter von 14, 15 setzte ich mich immer mehr mit der Suche nach einem Sinn erfüllten Leben auseinander. Ich war eher von stillem Naturell, zurückhaltend und sensibel. Es war mir ganz wichtig den „richtigen“ Beruf zu finden, einen der mich ganz glücklich macht. Schon früh stand dabei Hebamme ganz oben auf meiner Hitliste.
Etwas was mich sehr faszinierte, waren fremde Länder und Kulturen. Reisen fand ich toll und versuchte das auch nach meinen Möglichkeiten zu verwirklichen. So machte ich z.B. eine Interrailtour mit 2 Freundinnen durch Skandinavien und im nächsten Jahr verbrachte ich 4 Wochen in einem Kibbuz in Israel. Damals fing ich auch Feuer für ein Leben in Gemeinschaft.
[In dankbarer Erinnerung an unsere Mitfrau Kristel, die im Herbst 2011 gestorben ist; oder wie es in der Trauerkarte formuliert war: Heimgehen durfte!]
Es ist nie zu spät - und nun lebe ich!
In den Niederlanden wurde ich am 6. Dezember 1936 als zweites von drei Mädchen geboren. Ich sollte unbedingt ein Junge sein und wegen des Geburtstermins Klaus heißen. Nun war ich eine Christel.
Die Familie wartete auf einen männlichen Nachkommen zum Erhalt des Familiennamens und auf einen Erben der Herrenschneiderei. Die Schneiderei gab es schon über viele Generationen. Als Mädchen entsprach ich in keiner Weise vor allem den Wünschen meiner Mutter. Meine ältere Schwester war immer die gute Tochter, die schon früh auch Verantwortung übernehmen musste. Als dann nach zwei Jahren noch ein Mädchen geboren wurde, machte diese mir dann durch ihre Zartheit und ihren Liebreiz die Liebe meiner Mutter völlig streitig. Wegen ihrer hellen Löckchen wurde sie „unser Helles“ genannt. Ich kann nicht sagen, dass ich meine beiden Schwestern geliebt habe. Hing immer dazwischen. Je nach Bedarf war ich zu groß oder zu klein.
Schon als Jugendliche war mir klar: Ehe und Kinder sind nicht meine Zukunft. Aber mir war nur klar, was ich nicht wollte – für das, was ich wollte, hatte ich kein Wort.
Ich habe auch nie für Lehrer geschwärmt, meine Religionslehrerin in der Mittelstufe aber fand ich toll.
In meiner Ausbildungszeit zur Gemeindereferentin habe ich mich in eine Mitstudentin verliebt, eine Beziehung, die einige Jahre anhielt. Leider hatte ich dann mehr und mehr das Gefühl, durch die Liebe zu einem Menschen Gott etwas wegzunehmen. Mehr als zehn Jahre versuchte ich, mein Leben ganz auf Gott hin ausgerichtet zu leben. Einige Jahre davon auch in einer Ordensgemeinschaft. Nach meinem Austritt fing ich in einer neuen Gemeinde an – und verliebte mich. Heftig. Da aber diese Frau heterosexuell und glücklich verheiratet war, blieb es bei einer Freundschaft.
Ich hatte aber jetzt nicht mehr das Gefühl Gott – oder der Göttin – etwas wegzunehmen. Ganz im Gegenteil. Ich begriff dieses Gefühl des Verliebt-seins als ein Geschenk, das mich ermutigte, in meinem Freundinnenkreis mein Coming-Out zu machen. Ich machte mich auf die Suche nach Gleichgesinnten und fand das NkaL, seit 2000 gehöre ich nun dazu.
Ich fand dann auch den Mut, nach einer Partnerin zu suchen. Mittlerweile bin ich seit 2003 mit der tollsten Frau der Welt zusammen, vor einigen Jahren haben wir geheiratet. Ich habe Umwege gebraucht, aber das Glück meines Lebens gefunden.